Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Initiative ging von der SMV aus – Schulpate ist der Musiker Mal Élevé

Wiesloch (heb). Pablo „Mal Élevé“ Charlemoine zögerte nicht, als ihn im September Jugendliche am Rande eines Auftritts bei Fridays for Future auf der Neckarwiese ansprachen. Der Musiker hatte die inzwischen aufgelöste Heidelberger Band Irie Révoltés mitgegründet, die für ihre sozialkritischen Liedtexte und ihr soziales Engagement bekannt geworden ist. Die Schüler des Ottheinrich-Gymnasiums in Wiesloch konnten ihn als Paten für das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gewinnen.

Bereits vor zwei Jahren entschlossen sich engagierte Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums, sich dem Courage-Netzwerk anzuschließen und ein Zeichen für Vielfalt und Gleichberechtigung zu setzen. „Dazu mussten wir nicht nur eine gewisse Anzahl Unterschriften sammeln und von nun an jedes Jahr mindestens eine Aktion zu dem Thema machen – was wir sowieso schon tun – sondern auch einen Promi-Paten finden“, berichtet Schülersprecher Henrik Wieditz.

Für die Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nimmt sich der Sänger viel Zeit. Gemeinsam mit Markus Schädle vom Kolping Bildungswerk, der Ansprechpartner für die Courage-Schulen in Baden-Württemberg ist, lässt er sich von den Schülern die Schule zeigen. Auf dem Schulhof stellt Wieditz in einer Präsentation die Aktivitäten der SMV (Schülermitverantwortung) vor und berichtet über Turniere, Partys, Aktionen und Events, wie den Schulball. Er hebt die Schülerfirma hervor, die nachhaltige Produkte „zu einem sozial verträglichen Preis“ verkauft und zeigt eine Aufnahme von einem Konzert der ehemaligen Schulband Dequartier. Es handelt sich um die erste Ausgabe des Stage-Festival, das die Schüler 2019 in Eigenregie gestartet haben.

Nun hoffen die Schüler, dass die Corona-Zwangspause bald vorbei ist und es im Herbst eine Fortsetzung geben kann. Beim Rundgang durch die Schule zeigt sich der Sänger beeindruckt von der Bühnentechnik in der großen Mensa, die als Multifunktionsraum auch für Konzerte geeignet ist. Eine Schülerin nutzt die Gelegenheit: „Am 27.11. ist der nächste Termin von Stage. Bist du da gerade in Deutschland? Unsere Techniker sind eingespielt…“

Im Rahmen des Courage-Projekts organisierte die SMV außerdem einen Brief-Marathon gegen Menschenrechtsverletzungen und einen Wettbewerb für ein passendes T-Shirt-Motiv. Die Besucher lassen sich bei einem Rundgang die Stellwand zeigen, auf der die Mitschüler während der „Color Weeks“ ihre Ideen und Wünsche zum Thema bildlich darstellen konnten und werfen einen Blick in den SMV-Raum, wo der Anblick von Postern über Fake-News und Verschwörungstheorien zum Gespräch anregt.

Die SMV leiste auch viel Aufklärungsarbeit, betont Wieditz. „Wir gehen in die Klassen und diskutieren über Begriffe, die von manchen falsch verstanden werden, wie: Feminismus hat nichts mit Matriarchat zu tun und Antifaschisten sind das Gegenteil von Nazis.“

Der Musiker zeigt sich begeistert von der Schule und den aktiven SMV-Mitgliedern und sagt: „Hier wäre ich auch gern Schüler.“ Vor dem Termin in Wiesloch war er noch in Mannheim bei einem Schülerworkshop. Mit dem Verein Cultures Interactive führt er Rap Workshops an Schulen durch und hat damit gute Erfahrungen gemacht. „Alle haben Bock auf Rap. In der Kombination und im direkten Austausch funktioniert politische Bildung sehr gut.“

Rund 30 Schulen in Baden-Württemberg und rund 300 in ganz Deutschland sind bereits „ohne Rassismus“. Dass sich menschenfeindliche Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Muslimfeindlichkeit oder die Herabwürdigung von Frauen nicht allein durch ein Schild an der Schulwand bannen lassen, weiß Markus Schädle natürlich. Im Courage-Netzwerk sollen Kinder und Jugendliche daher vernetzt, qualifiziert und motiviert werden, sich aktiv gegen jede Form der Diskriminierung zu stellen.

„Politische Bildung an Schulen ist ein wichtiges Thema“, betont Schädle. Das Neutralitätsgebot sei in Deutschland lange falsch verstanden worden, stellt er fest. Es besagt, dass Schulen nicht gezielt parteipolitisch wirken sollen. „Ideologische Dominanz ist in keiner Richtung in Ordnung“, betont er. Sehr wohl aber sollte die Schule als Spiegel der Gesellschaft den Rahmen bieten, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinander zu setzen. Die Unabhängigkeit des Projekts des Kolping-Bildungswerks werde auch dadurch gefördert, dass es mit der Landeszentrale für politische Bildung und dem Sozialministerium Baden-Württemberg finanziell auf zwei Beinen steht.

In der Mittagshitze auf dem Schulhof stellt sich Mal Élevé den Fragen von Schülern bevor er zum Mikro greift. „Egal wo ihr auftaucht, wir sind zuerst da“, singt er und schickt ein „Alerta alerta antifascista!” hinterher. Der Spruch ist bei Gegendemonstrationen gegen Neonazi-Aufmärsche zu hören und bedeutet so viel wie: Nehmt euch in Acht, hier kommen die Antifaschisten.

Auch der stellvertretende Schulleiter Christian Annuschat ist dabei, als der Sänger den Schülern schließlich das Schild mit der Aufschrift „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ überreicht.

(Text und Fotos: Sabine Hebbelmann, RNZ)

Wir danken der Journalistin Sabine Hebbelmann von der Rhein-Neckar-Zeitung herzlich für die Freigabe ihres Berichts, der am Montag, dem 28. Juni 2021, in der RNZ erschien.