Die junge Generation will etwas verändern

Unsere Schülersprecher im Interview mit der RNZ

Von Anton Ottmann

Seit drei Jahren demonstrieren weltweit junge Menschen unter dem Schlagwort „Fridays for Future“ für den Klimaschutz, auch die Schülerinnen und Schüler des Ottheinrich-Gymnasiums Wiesloch, wie die RNZ im Gespräch mit der Schülermitverwaltung erfuhr. Alle drei Schulsprecher finden es richtig, dass die Veranstaltung während der Schulzeit stattfindet, nur so wecke man die Aufmerksamkeit der Presse. Öffentlichkeit und Politik müssten wachgerüttelt werden, bevor die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten sei.

Henrik Wiedlitz geht in die erste  Jahrgangsstufe (11. Klasse) organisiert „coole Turniere, Partys und Aktionen“. Franziska Wilke besucht die zweite Jahrgangsstufe (12. Klasse) und versucht, „das Beste aus diesem seltsamen Jahr zu machen“. Daniel Härterich, ebenfalls in der ersten Jahrgangsstufe, ist sich sicher, dass trotz Corona „coole Aktionen“ möglich sind, und dafür setzt er sich auch ein.

Anlass für das Gespräch war ein Artikel in der RNZ, in dem über die Entwicklung des Gymnasiums Wiesloch nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet wurde. Die drei hatten sich an der Bemerkung gestört, dass nach den turbulenten 1960er- und 1970er-Jahren die Zeit vorbei war, "in denen die Schüler die Welt verändern wollten". Schon gegen die Namensänderung im Jahr 2002 von "Gymnasium Wiesloch" in "Ottheinrich-Gymnasium Wiesloch" (OHG) hätte sich die SMV gewehrt. In der Schulkonferenz sprach sich die SMV für Bertha Benz als "Schulpatronin" aus, da sie für Veränderung und Modernisierung stehe, vor allem auch für die Emanzipation der Frau – im Gegensatz zu einem Kurfürsten des 16. Jahrhunderts. "Dass die Jugend nichts mehr verändern will, ist schlichtweg nicht richtig", meinte Henrik Wiedlitz. Das sehe man nicht nur an der regen Beteiligung bei den Aktionen von "Fridays for Future", sondern auch an dem, was sonst an der Schule selbst geschehe.

So gibt es ein Nachhaltigkeitskonzept, in dem es um die Auswirkungen des Ressourcenverbrauchs auf Gesellschaft und Umwelt und um konkrete Lösungsmöglichkeiten für den Schulalltag gehe. Papier, Plastik, Bio- und Restmüll werden getrennt gesammelt, um umweltbelastenden Verbrennungsmüll zu vermeiden. Ein extra dafür gegründeter SMV-Ausschuss kümmere sich außerdem um die Sammlung von Altpapier, Tonerkartuschen, CDs und Batterien, um sie ins Recycling-System zurückzuführen.

In die Zuständigkeit der SMV gehöre auch eine Veranstaltungsreihe "Zeichen setzen", in der es um Mobbing, Rassismus und Menschenrechte gehe. Es habe schon einmal einen "Black and White Day" gegeben, an dem sich Schüler demonstrativ ganz in Schwarz oder Weiß gekleidet haben, oder eine "Colour-week", in der an einer Pinnwand Begriffe wie Toleranz und Antifaschismus erklärt wurden. Nachdem 70 Prozent aller an der Schule "Mitwirkenden" für die Aufnahme in das Aktionsbündnis "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" gestimmt hatten, konnte Wiedlitz im Juni dieses Jahres vom Landeskoordinator der Aktion, Markus Schädle, Urkunde und Schild entgegennehmen, die die Aufnahme dokumentierten.

Als Pate wurde der Sänger Mal Élevé (Pablo Charlemoine) gewonnen, der bei der Übergabe im Schulhof mit Liedern gegen Rassismus und Vorurteile und für Toleranz und Weltoffenheit begeisterte. Die drei Schulsprecher waren sich einig, dass sich gegenüber den Schilderungen im Artikel über das Schüler-Lehrer-Verhältnis in den 1960er- bis 1970er-Jahren viel geändert habe. Es werde viel weniger doziert und Unterricht zunehmend "interaktiv" gestaltet, auch in Form von Gruppenunterricht, zudem biete ein Klassenzimmer im Freien Abwechslung.

Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern basiere auf gegenseitigem Respekt, die Vertrauenslehrer und Schulsozialarbeiter seien offen für alle Probleme, auch für private. Bei persönlichen Konflikten mit Lehrerinnen und Lehrern gebe es ein vorgeschriebenes Prozedere: ein Gespräch des Schülers mit dem betreffenden Lehrer, dann mit dem Klassenlehrer und schließlich mit der Schulleitung. Werde ein Schüler zum Gespräch beim Schuleiter einbestellt, könne er den Klassen- oder Schulsprecher zur Unterstützung mitbringen. Sehr positiv wird gesehen, dass man Politik als Leistungskurs wählen könne, für den sich auch Henrik Wiedlitz und Franziska Wilke entschieden haben. Hier mache das Diskutieren richtig Spaß, sagen sie.

Trotz all dem Positiven hatte vor allem Franziska Wilke noch einiges anzumerken. So sei der Leistungsdruck von Anfang an einfach zu groß. Es gehe immer nur um gute Noten, und man könne meinen, das Abitur sei das Wichtigste im Leben. Noten und Abschlüsse alleine machten nicht glücklich, dies sei Elite-Denken. Man sollte den Jugendlichen vielmehr auch andere Wege aufzeigen, bei denen die individuellen Fähigkeiten und Neigungen mehr im Vordergrund stehen.

Als Fazit des Gesprächs stellten die drei Schulsprecher übereinstimmend fest: An ihrer Schule betrachte die große Mehrheit die Demokratie als die beste aller Staatsformen. Die Schülerinnen und Schüler treten für Toleranz und Vielfalt ein und wollen die Welt darüber hinaus ökologischer und sozialer gestalten.

Das Interview erschien am Mittwoch, dem 20. Oktober 2021 in der Wieslocher Ausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung. Wir danken dem Journalisten Dr. Anton Ottmann für die freundliche Genehmigung, es an dieser Stelle veröffentlichen zu dürfen.